Nachhaltigkeit als bedeutende Führungsdisziplin

Eine nachhaltige Unternehmensführung findet bereits bei der Kaderausbildung ihren Anfang. Diese Strategie sichert nicht nur die Glaubwürdigkeit des Unternehmens, sondern fördert auch eine Kultur der Verantwortung und Innovation. Jürg Eggenberger, Co-Geschäftsleiter von Swiss Leaders, erklärt im Interview, warum es unabdingbar ist, ein Umdenken einzuleiten und was Unternehmen konkret dafür tun können.

Swiss Leaders, der branchenübergreifende Verband für Schweizer Führungskräfte, hat sich mit der Initiative Sustainable Leaders der Ausbildung und Förderung von Kadermitarbeitenden im Bereich Nachhaltigkeit verschrieben. Denn obwohl die nachhaltige Entwicklung in der Wirtschaft inzwischen stärker verankert ist, zeigt eine europäische Studie, dass sich diese Bedeutung kaum in der Arbeit von Führungskräften widerspiegelt. Der Studie zufolge haben gegenwärtig nur 17 % der europäischen Kader eine Ausbildung in nachhaltiger Entwicklung durchlaufen.

Neue Standards in Führungspraktiken
CEC European Managers, ein europaweit agierender Sozialpartner, der rund eine Million Führungskräfte vertritt, startete 2020 ein neues europäisches Projekt, um nachhaltige Führung zu modellieren. Mit der Lancierung der Initiative Sustainable Leaders möchte Swiss Leaders, Mitglied von CEC European Managers, dieses europäische Projekt mitgestalten, um den Übergang zu einem neuen Standard nachhaltiger Führungspraktiken zu unterstützen.

Charta als erster Schritt
Ein zentraler Bestandteil der Initiative ist die Nachhaltigkeits-Charta, welche Unternehmen, die eine nachhaltige Führung praktizieren und aktiv fördern möchten, unterzeichnen. Diese Firmen setzen sich im Wesentlichen vier Nachhaltigkeitsziele. Die Charta fokussiert auf die Rolle der Führungskräfte als Hebel beim Erreichen dieser Nachhaltigkeitsziele und der Umsetzung der entsprechenden Massnahmen. Sie zielt auch darauf ab, Führungskräfte zu sensibilisieren und zu befähigen, nachhaltiges Management umzusetzen. Mittlerweile haben über 130 Unternehmen und Organisationen aus der Schweiz die Charta unterzeichnet, auch aus dem Zürcher Oberland.

Interview mit Herr Eggenberger, Co-Geschäftsleiter Swiss Leaders

Warum braucht es die Nachhaltigkeits-Charta?
Jürg Eggenberger: Viele Führungskräfte verfügen nicht über ausreichendes Wissen im Bereich Nachhaltigkeit und zeigen noch zu wenig Engagement für entsprechende Massnahmen. Herkömmliche Managementansätze berücksichtigen zudem oft nicht ausreichend Umwelt- und Gesellschaftsaspekte als integralen Bestandteil eines umfassenden Systems.

Angesichts der drängenden Probleme ist es unerlässlich, sowohl auf Werteebene als auch in den Unternehmenszielen ein Umdenken einzuleiten. Dies erfordert einen Veränderungsprozess hin zu nachhaltiger Unternehmensführung, bei dem Führungskräfte als treibende Kräfte agieren. Sie müssen sich die erforderlichen Kompetenzen aneignen, den Mut aufbringen, sich für Nachhaltigkeitswerte einzusetzen, aktiv mit Interessengruppen vernetzen und die Verantwortung für den Veränderungsprozess übernehmen. Wir wollen, dass sich Führungspersonen auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit machen. Nachhaltigkeit soll in die Werthaltung von Führungskräften einfliessen und ihr Verhalten prägen.

Heute kann sich angesichts des gesellschaftlichen und regulatorischen Drucks keine verantwortungsvolle Führungskraft mehr erlauben, sich nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Aber viele wissen nicht, wie sie es anpacken sollen. Hier müssen wir unterstützen und entsprechende Ansätze aufzeigen. Die Charta gibt Orientierung, was von einer nachhaltigen Führungskraft erwartet wird.

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Jürg Eggenberger

Co-Geschäftsleiter Swiss Leaders

«Führungskräfte müssen Vertrauen und Transparenz schaffen, um Nachhaltigkeitslücken in den Geschäftsaktivitäten aufzudecken und zu schliessen»

Welche Erwartungen sind das?
Zum Beispiel mit Ressourcen respektvoll und verantwortungsvoll umzugehen, Führung als Dienstleistung zu verstehen – nicht nur gegenüber Mitarbeitenden und dem Unternehmen, sondern auch gegenüber der Umwelt und Gesellschaft. Führungskräfte müssen Vertrauen und Transparenz schaffen, um Nachhaltigkeitslücken in den Geschäftsaktivitäten aufzudecken und zu schliessen, den Fokus auf den gemeinsamen Sinn setzen und den Mut haben, nach persönlichen Überzeugungen zu handeln, auch wenn man auf Widerstand stösst.

Die meisten Kadermitarbeitenden werden nach Umsätzen bewertet und entlöhnt, der Fokus liegt oft auf dem kurzfristigen Profit. Was muss sich ändern?
Es ist nun mal so: «What gets measured gets done.» Deshalb muss nachhaltige Vergütung neben finanziellen Kennzahlen auch Transparenz für die Wirkung in den Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung schaffen. Es braucht also ein Vergütungsmodell mit Kennzahlen, welche die Wirkzusammenhänge in und zwischen den Dimensionen aufzeigen und für Anspruchsgruppen transparent sind. Beispiele im sozialen Bereich sind die Mitarbeitendenzufriedenheit, Diversität und Inklusion, im ökologischen Bereich der Energieverbrauch, die Recyclingquote oder der Anteil der Produkte, die kreislauffähig sind.

Bezüglich sozialer Nachhaltigkeit soll zu mitarbeiterfreundlichen, produktiven Arbeitsbedingungen in der gesamten Wertschöpfungskette beigetragen werden. Was ist darunter zu verstehen?
Gemäss Charta sollen sich Führungskräfte für gesunde, sichere und diskriminierungsfreie Arbeitsplätze einsetzen und den Mitarbeitenden ermöglichen, beruflich und persönlich zu wachsen. Auf die gesamte Wertschöpfungskette bezogen heisst dies, dass solche Kriterien bei der Wahl und Überprüfung von Lieferant:innen und Dienstleistungspartner:innen angewendet werden. Ein Beispiel dafür ist der Schokoladenhersteller Choba Choba, der sich aktiv für faire Arbeitsbedingungen und Abnahmepreise in den Produktionsstätten einsetzt, die Bedingungen bei den Zuliefer:innen überprüft und diese auch bei der Entwicklung von nachhaltigen Produktions- und Managementmethoden unterstützt.

Warum lohnt es sich, das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft anzugehen?
Es gibt genügend Studien, die aufzeigen, dass sich nachhaltiges Engagement für Unternehmen lohnt. Abgesehen davon, dass der regulatorische Druck zunimmt – zum Beispiel die Reporting-Anforderungen im Rahmen des Green Deals in der EU –, akzeptieren immer weniger Konsument:innen fehlende Nachhaltigkeit bei Produkten. Gemäss einer Studie wollen über 50 % der Schweizer Erwerbstätigen nicht für einen Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin tätig sein, der oder die sich nicht auch nachhaltig engagiert. Des Weiteren zeigen Studien auf, dass nachhaltig agierende Unternehmen besser rentieren und einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt haben.

Welche ersten Schritte raten Sie einem Unternehmen, das sich bezüglich Nachhaltigkeit verbessern möchte?
Der Start beginnt mit einer Standortbestimmung, wo das Unternehmen steht. Dazu kann man die SDGs oder andere Tools zu Hilfe nehmen oder einen der Online-Checks durchführen, wie z. B. Swiss Triple Impact, CircularEconomy Toolkit oder den Check-up von tfy-consult. Aufgrund des Ist-Zustands können Unternehmen bestimmen, welchen Reifegrad man als Nächstes anstrebt, und Ziele und Massnahmen definieren, die umsetzbar und messbar sind. Bei diesem Schritt macht es Sinn, Trends im regulatorischen Bereich einzubeziehen, da man etwa als Lieferant eines EU-Exportunternehmens rasch Massnahmen ergreifen muss. Es lohnt sich, Führungskräfte frühzeitig für ihre Verantwortung und den erwarteten Mindset zu sensibilisieren sowie Mitarbeitende einzubinden, die für die Umsetzung wichtig sind. Wichtig ist es auch, alle Mitarbeitende auf einen ähnlichen Wissensstand zu bringen und den Bezug zwischen Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens herzustellen.

Wie unterstützt Sustainable Leaders die Unternehmen und Organisationen?
Wir bieten Weiterbildungen im Rahmen unserer Sustainable Academy und Webinare zu Nachhaltigkeitsthemen für Führungskräfte an. Wir unterstützen Geschäftsleitungen dabei, ihre Strategie und Führungsarbeit nachhaltig auszurichten. Im Sinne des Ökosystemansatzes vernetzen wir uns dabei mit anderen Partner:innen. Wir setzen uns mit B-Lab auch auf politischer Ebene für ein rechtliches Rahmenwerk ein, das nachhaltiges Unternehmer:innentum in der Schweiz anerkennt und die richtigen Anreize dafür setzt.

Wir bieten Weiterbildungen im Rahmen unserer Sustainable Academy und Webinare zu Nachhaltigkeitsthemen für Führungskräfte an. Wir unterstützen Geschäftsleitungen dabei, ihre Strategie und Führungsarbeit nachhaltig auszurichten. Im Sinne des Ökosystemansatzes vernetzen wir uns dabei mit anderen Partner:innen. Wir setzen uns mit B-Lab auch auf politischer Ebene für ein rechtliches Rahmenwerk ein, das nachhaltiges Unternehmer:innentum in der Schweiz anerkennt und die richtigen Anreize dafür setzt.

Was wird im Kurs von Sustainable Leaders vermittelt?
Der Kurs «Nachhaltig führen und gestalten» wird in Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsinstitut sanu angeboten und ist für Personen gedacht, die in einer höheren Leitungs- oder Managementfunktion sind. Die Teilnehmenden arbeiten an den eigenen Werten und Zielen, setzen sich mit dem Sinn ihres Unternehmens, dessen Systemen und Rollen auseinander und damit, wie sie nachhaltige Geschäftspraktiken umsetzen und Stabilität sowie Resilienz fördern können. Während der Ausbildung setzen sie ein eigenes, konkretes Projekt in ihrem Unternehmen um.

Sie sind Co-Geschäftsleiter von Swiss Leaders. Welche Nachhaltigkeitsziele hat sich Ihre Organisation selbst definiert bzw. woran arbeiten Sie aktuell?
Swiss Leaders hatte schon immer den Gedanken der Nachhaltigkeit im Leitbild, aber wir konnten zu wenig sagen, was wir damit eigentlich meinen. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht. Daraus sind die Charta und die Initiative entstanden. Unsere sozialpolitischen Positionen sind mit den SDGs verknüpft und geben uns einen Handlungsrahmen für unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen. Swiss Leaders besitzt Liegenschaften, die wir sukzessive energetisch, betrieblich und funktional auf heutige und kommende Erfordernisse hin nachhaltig sanieren wollen. Und wir hinterfragen uns immer wieder, ob das, was wir tun auch unserem Zweck entspricht. Da haben auch wir noch Verbesserungspotenzial – sowohl als Organisation als auch persönlich.

2022 haben Sustainable Leaders und B Lab Schweiz einen Barometer ins Leben gerufen, der die Situation in den Unternehmen analysiert. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?
Insgesamt zeigen die Ergebnisse einen zufriedenstellenden Reifegrad im Bereich Nachhaltigkeit unter den Befragten, wobei vor allem bereits sensibilisierte Personen teilgenommen haben. Verbesserungspotenzial besteht in den Bereichen Handlung und Engagement gegenüber externen Anspruchsgruppen. In Branchen, die in Bezug auf Nachhaltigkeit schon weiter fortgeschritten sind, werden auch die Anspruchsgruppen stärker einbezogen und die gesamte Wertschöpfungskette für gesamtheitliche Nachhaltigkeitsbestrebungen aktiviert. Darüber hinaus zeigt sich, dass jüngere Führungskräfte häufiger in den Branchen tätig sind, die in Bezug auf Nachhaltigkeit am proaktivsten sind, was auf einen Generationswechsel hin zu nachhaltigeren Praktiken schliessen lässt.

Stellen Sie positive Veränderungen fest?
Das Thema hat generell an Dynamik gewonnen, auch weil der regulatorische Druck zugenommen hat. Es wächst die Erkenntnis, dass Führungskräfte schlussendlich der Transformationsriemen sind, um Nachhaltigkeitsprozesse in Gang zu bringen, und dass ohne das Schmiermittel Vertrauen wenig geht. Gute Führung wird immer wichtiger, das freut mich. Ich höre auch viel weniger als früher von Führungskräften, dass sie ja sowieso nichts tun können, sondern mehr: Wo fange ich an oder wie mache ich weiter?

 

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Jürg Eggenberger

Co-Geschäftsleiter Swiss Leaders

«Eine Region ist immer auch ein Ökosystem. Die Zusammenarbeit und gemeinsame Initiativen sind der Ursprung für mehr Nachhaltigkeit»

Wo sehen Sie die grössten Chancen und Herausforderungen für eine Region wie das Zürcher Oberland?
Eine Region ist immer auch ein Ökosystem. Die Zusammenarbeit und gemeinsame Initiativen zugunsten eines gemeinsam erarbeiteten Zielbilds für eine nachhaltige, regenerative Wirtschaft und Gesellschaft sind der Ursprung für mehr Nachhaltigkeit.

Welche Rolle können oder sollen Standortförderungen einnehmen?
Wichtig finde ich, dass verschiedene Anspruchsgruppen und ihre Bedürfnisse eingebunden werden, dass man mit neuen Methoden und Ansätzen experimentiert, also sozusagen die Region als Reallabor versteht. Im Sinne der Nachhaltigkeit geht es um mehrdimensionale Ansätze, die Themen wie Natur, Lebensqualität, Vielfalt, Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität vernetzen. Das Ziel müsste meines Erachtens sein, die Wertschöpfung als regionale Kreisläufe zu verstehen und diese zu aktivieren und auszubauen, um damit die Region nachhaltig zu stärken.

Gastrosuisse stellt ihren Mitgliedern eine Nachhaltigkeits-Checkliste zur Verfügung. Welche Rolle können oder sollen Ihrer Meinung nach Branchenverbände einnehmen?
Branchenverbände sind wichtig, ohne Zweifel. Aber auch hier gilt: Den Verantwortlichen muss es ernst sein – kein Greenwashing! Sie können den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren ankurbeln, Schulungen anbieten, Mitglieder auf neue Entwicklungen, Technologien sensibilisieren, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, und auch gemeinsam Standards und Richtlinien für nachhaltiges Verhalten in ihrer Branche entwickeln. Ein Branchenverband kann Ressourcen bündeln und so Innovationen anregen und dadurch entscheidende Mehrwerte für ihre Mitglieder bieten.

Was motiviert Sie persönlich an der Arbeit zugunsten der Nachhaltigkeit?
Ich fühle mich persönlich betroffen, wenn ich auf meinen Wanderungen beobachte, wie sich die Umwelt verändert und Lebensraum zerstört wird. Ein Weckruf war ein längerer Austauschprozess mit Gleichgesinnten darüber, was gute Führung ist und die Erkenntnis, dass sie auch einen Wertbeitrag zur Gesellschaft und zu unserem Lebensraum leisten muss.

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Das gekürzte Interview ist auch im Zürioberland Magazin vom 5. April 2024 erschienen. Das Magazin können Sie kostenlos bestellen und auch abonnieren.

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INOS-Plattform – Wirtschaften in Kreisläufen

INOS, das Innovationsnetzwerk Ostschweiz, fördert zirkuläre Innovationen bei Ostschweizer KMU, um neue Geschäftsmodelle zu erschliessen und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Die Plattform bietet den Zugang zu praxisorientiertem Fachwissen und Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Forschung.

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