Experteninterview mit Stefan Forster - Standortförderung Zürioberland

Experteninterview mit Stefan Forster

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Das Interview mit Prof. Stefan Forster nimmt Bezug auf einen Artikel im Zürioberland Magazin vom 25. Oktober 2024.

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Stefan Forster ist Professor am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil und agiert als externer Experte, Berater und Moderator im interkantonalen Projektteam zur Entwicklung des Hörnli-Berglands. Kathrin Senn, Textschaft, hat im Auftrag der Standortförderung Zürioberland mit ihm gesprochen.

Stefan Forster, Sie forschen im Bereich Tourismus und nachhaltige Entwicklung und setzen sich seit 20 Jahren mit Inwertsetzungen von Natur- und Kulturräumen auseinander. Welches touristische Potenzial sehen Sie von aussen in der Region Hörnli-Bergland?
Das Hörnli-Bergland ist ein hochspannender Natur- und Kulturraum mit sehr viel Potenzial. Die Region ist bereits ein gut besuchtes Naherholungsgebiet. Mit gezielter und passender Angebotsentwicklung lässt sich hier aber noch sehr viel mehr machen. Vor allem, weil die drei Kantone Zürich, Thurgau und St. Gallen dies zusammen und mit einer ganzheitlichen Strategie tun. Besonders wichtig ist es, die Gästeströme grenzübergreifend sinnvoll zu lenken – denn niemand will das Gebiet touristisch überfordern. Zudem ist das Hörnli-Bergland im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) eingetragen, als eines von 162 Objekten. Auch diese Auszeichnung sehe ich als grosse Chance.


Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Teilprojekte?
Sehr wichtig ist sicher die Angebotsentwicklung und deren konkrete Ergebnisse, wie beispielsweise das Gummistiefel-Erlebnis mit mehreren Stationen, die derzeit erarbeitet werden. Auch das Corporate Volunteering, bei dem Firmen oder Vereine sich für den Erhalt von Natur und Kultur engagieren, passt gut dazu. Entscheidend ist dabei der Miteinbezug der regionalen Bevölkerung in die Entwicklung. Nachhaltiger Tourismus funktioniert nur, wenn Einheimische Teil davon sind und sich auch selbst als solchen sehen. Sie müssen ebenfalls von den Angeboten profitieren und die Ideen unterstützen. Es geht bei der Entwicklung des Gebiets also nicht nur um die Promotion nach aussen, sondern auch um eine Sensibilisierung nach innen. Mit der lokalen Bevölkerung als explizite Zielgruppe will das Projekt-Team die Identität stärken. Das Ziel ist eine noch lebenswertere Region, zu welcher der Tourismus ihren Beitrag leistet.

Ist es üblich, dass bei Tourismusentwicklungs-Projekten Einheimische derart einbezogen und als wichtige Zielgruppe anerkannt werden?
Es ist noch nicht ganz Usus. Gerade im kultur- und naturnahen, nachhaltigen Tourismus wächst aber zum Glück immer mehr das Bewusstsein, dass die Lokalbevölkerung involviert werden muss. Im Projekt Hörnli-Bergland ist dies besonders wichtig, denn es gibt auch kritische Stimmen: Da es ein Naherholungsgebiet ist, häufen sich insbesondere an schönen Tagen bei Hochnebel heute schon viele Menschen an wenigen, zentralen Hotspots. Die optimierte Lenkung von Verkehrs- und Gästeströmen, sodass nicht alle Leute am gleichen Ort sind, ist deshalb auch ein sehr wichtiges Teilprojekt und gerade für kritische Einheimische als grosse Chance zu begreifen.

Für die Weiterentwicklung der Region Hörnli-Bergland haben sich die drei Organisationen Standortförderung Zürioberland, Thurgau Tourismus und Toggenburg Tourismus zusammengeschlossen. Wer der drei Beteiligten profitiert aus Ihrer Sicht am meisten von dem Projekt?
Alle drei auf ihre Art! Für das Zürcher Oberland ist zum Beispiel das Thema Gästelenkung sehr zentral, da für diese Region als Wohn- und Lebensraum der Druck etwas grösser ist. Aber auch mehr Übernachtungen wären attraktiv. Im Thurgau ist es vor allem für das Kloster Fischingen interessant, da der Hinterthurgau schon etwas abgelegen ist – innerhalb des Kantons fast ein wenig eine Sackgasse. So bekommt das Gebiet mehr Anschluss. Und das Untertoggenburg, das bisher im Gegensatz zum Obertoggenburg kaum touristisch ist, wird vor allem von der Angebotsentwicklung und allfälligen Übernachtungssteigerungen profitieren.

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Stefan Forster

Professor am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW

«Die Beteiligten haben zwei enorm wichtige Dinge erkannt: Erstens, dass sie das Gebiet nur grenzübergreifend touristisch erfolgreich entwickeln können, und zweitens, dass sie die lokale Bevölkerung miteinbeziehen müssen.»

Sie haben schon Dutzende von ähnlichen Projekten begleitet. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen den drei Tourismusorganisationen?
Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Die drei Organisationen haben das Projekt selbst initiiert und erkannt, dass sie das Potenzial des Gebiets gemeinsam erschliessen müssen – trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen. Weg vom reinen Tagestourismus und etwas mehr Übernachtungen generieren ist jedoch für alle ein Ziel. Hier können die drei Organisationen viele Synergien nutzen und gemeinsam Ideen generieren, wie sie die bestehenden Infrastrukturanbieter und Beherbergungsbetriebe darin unterstützen können, selbst Angebote zu entwickeln.


Sie haben unzählige Naturpark- und Regionalentwicklungen unterstützt. Welche Besonderheiten sehen Sie am Projekt Hörnli Bergland?
Das Hörnli-Bergland ist ein hochspannendes Projekt und bis jetzt eine gelungene Sache. Die Erkenntnis, dass man ein Gebiet grenzübergreifend weiterentwickeln muss, ist längst nicht immer gegeben. Hier haben die Betroffenen erkannt, dass sie dies zusammen machen müssen. Zudem ist das Hörnli-Bergland eine echte ökologische Perle, die viele nicht kennen. Das Gebiet hat eine riesige und sehr wertvolle Biodiversität. Diesen ökologischen Wert sollte man nicht als Behinderung für eine touristische Entwicklung sehen, sondern als positiven Standortfaktor nutzen – als Chance, die sich monetarisieren lässt. Zugleich muss man das Gebiet schützen, insbesondere durch eine geschickte Gästelenkung. Entscheidend wird hier die richtige Balance zwischen Nutzen und Erhalt.

Stefan Forster, vielen Dank für das informative Gespräch.

Prof. Stefan Forster

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Foto: © Dominik Landwehr

Stefan Forster ist Professor am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW in Wädenswil. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Inwertsetzung von Natur- und Kulturräumen und untersucht, wie man sie touristisch sanft und nachhaltig entwickeln kann. Seit 15 Jahren begleitet er Regional- und Naturparkentwicklungen in der ganzen Schweiz und war bisher in über 60 Projekte involviert. Stefan Forster ist als externer Experte, Berater und Moderator im interkantonalen Projektteam zum Thema Hörnli-Bergland tätig.