Clusterbildungen im Zürcher Oberland

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Dieser Artikel ist auch im Zürioberland Magazin vom 25. Oktober 2024 erschienen.

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Beim Zürcher Oberland denken viele in erster Linie an die reizvolle Landschaft. Die wirtschaftlichen Charakteristiken dieser Region sind weniger bekannt. Im Vergleich zum Kanton Zürich fällt der dominierende Industriesektor auf. Das hat gute Gründe.

Autor: Hans Hess Vorstandsmitglied Standortförderung Zürioberland, Co-Autor

Das Zürcher Oberland (1) bietet in über 21’000 Arbeitsstätten rund 147’000 Beschäftigten eine Anstellung (2). Die Wirtschaftsstruktur ist von einem gewichtigen Industriesektor geprägt – sein Anteil ist mit knapp 28 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der kantonale Durchschnittswert. Nach einem markanten Beschäftigungsrückgang im Gesamtkanton setzte im Zürcher Oberland Mitte der 2000er-Jahre eine Trendwende ein: Die Beschäftigung in der Industrie begann wieder zu wachsen. Zugelegt haben bei den Subbranchen der Fahrzeugbau oder das Baugewerbe. Trotz der Dominanz des Industriesektors verzeichnet auch das Zürcher Oberland in den letzten zwei Jahrzehnten das grösste Stellenwachstum im Dienstleistungssektor.

(1) Im vorliegenden Artikel umfasst das Zürcher Oberland die Bezirke Hinwil, Pfäffikon und Uster sowie die drei NRP-Gemeinden Bichelsee-Balterswil (TG), Eschenbach (SG) und Fischingen (TG).

(2) Datenquelle Wirtschaftszahlen im Zürcher Oberland: Bundesamt für Statistik, 2021; Auswertung: Statistisches Amt des Kantons Zürich.

Die Branche «Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren» weist im Zürcher Oberland den höchsten Beschäftigungsanteil auf. Bei einer detaillierteren Betrachtung dieser Branche fällt auf, dass rund 3000 Angestellte in der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten oder elektronischen und optischen Erzeugnissen tätig sind. An zweiter Stelle in Bezug auf die Anzahl der Beschäftigten folgt die Herstellung von Backwaren. Hier tragen sowohl mehrere grosse Bäckereien als auch die Fresh Food & Beverage Group (ehemals JOWA AG) in Volketswil bei.

Rund um führende Unternehmen wie Huber+Suhner und Reichle & De-Massari fällt ein ICT-Cluster auf, der durch Unternehmen im Bereich Elektrotechnik ergänzt wird. Aber auch im Bereich Sensorik bilden Unternehmen wie Belimo, Seitz Values, Loepfe Brothers oder Uster Technologies ein starkes Cluster. Zudem sind im Zürcher Oberland bedeutende Unternehmen im Bereich Gerätebau angesiedelt. Zusammen bilden diese einen starken und wachsenden Industriecluster, der an eine jahrhundertealte Tradition und Geschichte der Industrie im Zürcher Oberland anknüpfen kann.

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Positive Entwicklung der Industrie als Ansporn
Es gibt gute Gründe für die positive Entwicklung der Industrie im Zürcher Oberland. Da sind einerseits die vielen dynamischen Industriefirmen, die ihre Chancen in ihren Märkten fokussiert wahrnehmen. Sie profitieren auch von starken lokalen Zuliefernetzen aus Industrie und Gewerbe. Dazu kommt eine optimale verkehrstechnische Anbindung – unter anderem dank der Nähe zum Flughafen Zürich und dem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr.

Um die positive Entwicklung der Industrie im Zürcher Oberland weiter voranzutreiben, braucht es den strategischen Willen aller Beteiligten, das heisst den Unternehmen, den Forschungs- und Bildungsinstitutionen, den Finanzdienstleistern, den Raum- und Immobilienentwicklern sowie der Politik und Verwaltung. Für die Entwicklung der ansässigen und die Gewinnung von neuen zukunftsträchtigen Unternehmen muss genügend verfügbarer Arbeitsraum (Land und Immobilien) vorhanden sein. Der Standortförderung Zürioberland kommt bei der Positionierung sowie der Ausarbeitung und Kommunikation der Strategie eine wichtige Rolle zu.

Weitere Wirtschaftscluster im Zürcher Oberland
Das Gesundheits- und Sozialwesen ist im Zürcher Oberland ebenfalls sehr gut ausgebaut. Wichtige Arbeitgeber sind die Pflegeheime, die beiden Spitäler Uster und Wetzikon sowie die Reha Klink Wald. Aber auch für Menschen mit kognitiven oder körperlichen Beeinträchtigungen bieten im Zürcher Oberland mehrere Institutionen Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten in einem geschützten Rahmen an.

Der Handel, die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen nimmt den dritten Platz ein bei der branchenspezifischen Beschäftigungsstatistik im Zürcher Oberland. Gerade Regionen ausserhalb von grossen Städten mit guter Erreichbarkeit sind attraktiv für diese Branche. Dieser Standortfaktor und die Synergien aus gemeinsamen Interessen und Geschäftsbeziehungen führen zu einer Clusterbildung im Bereich Mobilität. Diesen Cluster ergänzt überdies die Gewerbliche Berufsschule Wetzikon (GMW), wo die Automobilfachleute ausgebildet werden.

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Entlang der Wertschöpfungskette
In der Landwirtschaft werden im Zürcher Oberland 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet (Kanton Zürich: 0,2 Prozent). Aufgrund der Topografie dominieren vor allem im Tösstal Graswirtschaft und Viehhaltung.

Bei den Regionalprodukten zeigt sich, dass es entlang der Wertschöpfungskette zu Clusterbildungen kommt: Durch die räumlich nahe Zusammenarbeit – sei es bei der Produktion der regionalen Rohstoffe als auch bei deren Verarbeitung in der Region – werden Arbeits- und Ausbildungsplätze im Zürcher Oberland gestärkt. Der Bund fördert solche Cluster. Beispielsweise unterstützt das Staatssekretariat für Wirtschaft über die Neue Regionalpolitik oder das Bundesamt für Landwirtschaft über die Absatzförderung von Regionalprodukten.

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Bei den zertifizierten Regionalprodukten entstehen entlang der Wertschöpfungskette wichtige Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Unter der Regionalproduktemarke «us em ZÜRIOBERLAND» produzierten im vergangenen  Jahr 30 Betriebe rund 500 Produkte. Betrachtet man die gesamte Wertschöpfungskette resultieren daraus 386 zuliefernde Betriebe wie Landwirtschaftsbetriebe oder Zwischenverarbeiter wie die Müllerei, der Schlachthof oder Kelterungen und entsprechend viele Arbeitsplätze. Die regionale Rohstoffherkunft wie auch die Verarbeitung in der Region schlagen sich in kurzen Transportwegen nieder: So betrug die mittlere Distanz im Jahr 2023 zu den entferntesten Rohstoffen lediglich 20,34 Kilometer. Der Umsatz mit zertifizierten Regionalprodukten belief sich 2023 auf 27,5 Mio. Franken.

Die Bedeutung von Wirtschaftsclustern
Ein Wirtschaftscluster ist eine geografische Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen, spezialisierten Lieferantinnen, Dienstleistern und assoziierten Institutionen in Forschung und Bildung in einem bestimmten Wirtschaftssegment. Solche Cluster fördern Wettbewerb und Kooperation und tragen zur Innovation und Produktivitätssteigerung der beteiligten Unternehmen in einer Region bei. Der wirtschaftliche Erfolg von Regionen wird zunehmend stärker durch solche Cluster bestimmt, die man oft auch als Ökosysteme, Biotope oder Valleys bezeichnet.