Treffsicher führen: Powerplay mit Millennials

Was junge Menschen beschäftigt und motiviert und wie Unternehmen dort andocken und Sie als Mitarbeitende gewinnen können, stand im Fokus dieser Ausgabe am 10. November 2022.

Die Vereine Zürioberland und Region ZürichseeLinth luden am 10. November 2022 zum fünften Mal zum Unternehmergespräch, dieses Mal unter dem Titel «Treffsicher führen: Powerplay mit Millennials» in die St. Galler Kantonalbank Arena in Rapperswil. Der Einladung sind über 200 Vertreter:innen aus Bildung, Politik und Wirtschaft gefolgt. «Der Anlass war innert kürzester Zeit ausgebucht», freut sich Giacinto In-Albon, Leiter Geschäftsfeld Wirtschaft bei der Standortförderung Zürioberland.

Der Themenanlass nahm sich den Millennials an, der sogenannten «Gen Y» mit den Jahrgängen zwischen 1980 und 2000. Verschiedene Referenten gingen der Frage nach, was diese Generation ausmacht, was sie anders macht und warum für sie ein neuer Führungsstil notwendig ist. Nach einer kurzen Begrüssung durch den Uzner Gemeindepräsidenten Diego Forrer übernahm der bekannte Sportmoderator Stefan Bürer die Moderation und führte durch den Abend.

 

Die wahren Digital Natives

Als erste Referentin sprach Frau Dr. Katja Rost, Professorin beim Soziologischen Institut an der Universität Zürich, zu den Gästen und beleuchtete die «Gen Y» aus wissenschaftlicher Sicht. Sie gelten als flexibel, tolerant, haben ein grosses Selbstbewusstsein und sie wissen um ihren Wert als Arbeitskräfte. «Sie sind weltoffen und gut gebildet», so Rost. Die «Gen Y» bewege sich – wie andere Generationen – in verschiedenen Szenen, die aber nicht nur neu seien. Tatsächlich neu und prägend sei jedoch der technologische Wandel. «Es ist die erste Generation, die mit Tablet und Smartphone aufgewachsen ist und entsprechend natürlichen Zugang dazu hat. Sie empfinden den technischen Fortschritt darum auch nicht als Stress», führt Rost weiter aus. «Sie nutzen die Medien anders und kommunizieren ebenso differenziert.» Bei ihnen spielen vor allem Video und Bild eine grosse Rolle.

 

Millennials sind nicht faul

Nicht nur die Nutzung selbst, sondern auch die Nutzungszeiten unterscheiden sich gemäss Katja Rost markant von der Vorgänger-Generation X (Jahrgänge 1965 – 1980). «Sie kommunizieren anders und machen viel stärker ‘digital detox’, sind also zu bestimmten Zeiten nicht erreichbar», erklärt Rost. Sie seien dadurch aber nicht etwa unmotiviert, sondern hätten nur ein anderes Verhältnis dazu und würden ihre Privatsphäre zudem stärker schützen.

 

Unsicherheit und soziale Abstiege

Während die Millennials zwar selbstbewusst auftreten würden, sei aber auch Unsicherheit spürbar. «Die Lebenszufriedenheit ist bei den jungen Leuten massiv gesunken, Suizidgedanken und soziale Abstiege nehmen zu», so Rost. Natürlich gehe es den Jungen gut in der Schweiz, doch die vielen Wahlmöglichkeiten würden auch viele überfordern. «Man erwartet überall Glück: der beste Partner, der beste Job, das tollste Hobby… Das überfordert.» Die Jungen würden zudem in einem Mass mit Themen wie Umweltzerstörung, Kriege und soziale Ungleichheiten konfrontiert, mit denen sich die Vorgänger nicht im gleichen Masse auseinandersetzen mussten. «Sie sind in einer Globalisierungswelt aufgewachsen und sehen sich wegen den Globalisierungsrisiken als Verlierer.» Darum seien sie auch kritischer, würden Dinge hinterfragen und Proteste nehmen zu.

 

Wertewandel auch beim Sport

Den Wertewandel hin zu kritischem Hinterfragen bestätigen auch der SCRJ-Assistenz-Coach Sven Berger und der SCRJ-Verteidiger David Aebischer im Gespräch mit Stefan Bürer. «Der Nachwuchs hinterfragt viel mehr», sagt Berger. Sie seien genauso motiviert und leistungsorientiert wie die ältere Generation, aber sie würden den Anweisungen nicht mehr blind folgen und wollen vermehrt wissen, warum sie diese oder jene Übung machen sollen. «Da muss man als Trainer Antworten parat haben, und das ist auch gut so», sagt Berger. Auf die Frage von Stefan Bürer, ob er sich die alten Zeiten zurückwünsche, sagt Berger lachend: «Manchmal ist es etwas mühsam, wenn sie meinen, sie wüssten mehr als ich.»

 

Positive Fehlerkultur spornt an

Dass die Coaches diesen Wandel ernst nehmen müssen, davon ist auch das junge Eishockey-Talent David Aebischer überzeugt. Der Führungsstil mit Anbrüllen, der keine Fehler erlaubt, sei überholt. «Damit erreichst du die Jungen nicht mehr.» Der Führungsstil beim SCRJ sei denn auch mit ein Grund gewesen, warum er von Fribourg zum Rapperswiler Club gewechselt habe. Hier werde man bei Fehlern ermutigt, daraus zu lernen und weiterzumachen. Auf die Frage von Stefan Bürer, ob man Leadership lernen könne, sagt Berger: «Leadership ist sicher ein Stück weit lernbar, aber auch Teil der eigenen DNA.»

 

Startup-Firma mit Millennials

Einer, der erfolgreich mit Millennials arbeitet, ist Olivier Kofler, CEO des Startups Carvolution. Das Unternehmen, welches mit dem «Swiss Economic Award 2022» ausgezeichnete wurde, beschäftigt mittlerweile rund 130 Mitarbeitende für sein Auto-Abo-Unternehmen, von denen 90 % Millennials sind. Das sei zwar nicht unbedingt gesucht, «wir hätten gerne mehr Bewerbungen von Älteren», so der 38-jährige Kofler. Doch man ziehe wohl automatisch eher Leute an, die im gleichen Alter seien. Sein Erfolgsrezept: Starke Medienpräsenz, Ownership, Partizipation, positive thinking – und zweitägige Team-Events.

 

Millennials lieben Startups

Durch ihre aggressive Medienpräsenz würden sie auch als Arbeitgeber gut wahrgenommen, weshalb sie eigentlich keine Probleme hätten, Stellen zu besetzen, so Kofler. Gerade Millennials würden es lieben, in StartupUnternehmen zu arbeiten, weil sie da noch etwas bewirken können, so Kofler. Durch selbstorganisierte Teams werde eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen erreicht und mit dem virtuellen «Phantom Stock»-Aktienprogramm können die Mitarbeitenden bei Carvolution auch monetär am Erfolg teilhaben. Auf Homeoffice angesprochen, sagt Kofler: «Wir wollen eine gute Work-Life-Balance und gehen so weit wie möglich auf die Individualität der Mitarbeitenden ein.» Ein Gast fragte Kofler zum Schluss, wie man als Unternehmen, das vielleicht nicht so «fancy» wie Carvolution ist, für Millennials auch interessant sein könne. Kofler dazu: «Sich selbst vermarkten, zum Beispiel auf LinkedIn.»

 

Millennials nicht wie rohe Eier behandeln

Zum Schluss der Veranstaltung zog Ruedi Rüfenacht, Präsident der Standortförderung Zürioberland, ein persönliches Fazit: Dass der grosse technische Wertewandel nicht zwangsläufig zu einem ganz grossen Wertewandel führe, dass das Führungsverhalten aufgrund der Veränderungen in den Generationen angepasst werden müsse und dass die Generation Y auch einfach nur Menschen seien, die arbeiten und Erfolg haben wollen, wie wir es wollten.»

Zum Abschied gab’s für die Besuchenden nebst einem feinen Apéro riche mit regionalen Spezialitäten auch eine Geschenktasche mit dem neuen Zürioberland-Magazin, Informationsmaterial aus der Region Zürichsee-Linth und Zürioberland und einer Schachtel mit vier regionalen Bio-Eiern aus Bruderhahn-Zucht, dazu ein Zettel: «Arbeitgebende sollten junge Mitarbeiter:innen keineswegs wie rohe Eier behandeln. Jedoch immer mit Respekt.»

 

RZL und SZO ziehen Bilanz

«Ein attraktives Unternehmensumfeld spielt für junge Fachkräfte eine wichtige Rolle. Bei dessen Gestaltung können die Regionen einen Beitrag leisten. Die Anforderungen der jungen Generationen sind nicht gewachsen, sondern haben sich verändert. Diese Bedürfnisse zu kennen und das Unternehmen entsprechend zu entwickeln ist essenziell, um langfristig als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Mit dem Fachkräftemangel gewinnen Mitarbeitende weiter an Bedeutung für Unternehmen. Sie als Zielgruppe wie Kundinnen und Lieferanten zu betrachten und sich den veränderten Bedürfnissen anzupassen, wird wichtiger denn je.»

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